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Die Villa rustica bei Kohlhunden

Der römische Gutshof (villa rustica) bei Kohlhunden wurde Ende 2001 beim Bau der Staatsstraße entdeckt. Bekannt sind Überreste von zehn Gebäuden. Die drei östlichen Bauten sowie der Südteil des Haupthauses wurden durch geoelektrische Untersuchungen festgestellt. Die geoelektrische Prospektion macht Bodendenkmäler sichtbar, indem auf einer Fläche die elektrische  Widerstandsverteilung mit Sonden gemessen wird.


Das Haupthaus liegt auf der Geländekuppe inmitten des Landguts (fundus). Es war das größte Gebäude und weithin sichtbar. In  ihm wohnte der Besitzer mit seiner Familie. Das Kohlhundener Hauptgebäude gehört einem nördlich der Alpen häufigen Bautyp an: An der Vorderseite lag zwischen zwei Eckbauten (Risaliten) eine offene Säulenhalle (porticus). Dahinter folgte eine hohe,  gegenüberliegende Halle. Die äußere Gestalt sollte die Besucher beeindrucken und vom Wohlstand des Besitzers zeugen. In Borg (Saarland) wurde das Haupthaus einer Villa mit einem Nebentrakt und einer Badeanlage wiederaufgebaut. Keinesfalls sind diese ländlichen Wohnhäuser bescheidene und rein zweckmäßige Behausungen.


Leider sind die Funktionen der einzelnen Räume meist nicht mehr zu klären. Oft ist ein Keller (cella) vorhanden. Sicher gab es eine Küche (culina) und einen Speiseraum (triclinium). Das triclinium römischer Häuser war aufwändig bemalt. In ihm speisten häufig Gäste. Die Wohnräume (cubicula) lagen wohl im Obergeschoß.


Der ausgegrabene Nordrisalit besaß im Erdgeschoß einen Fußboden aus Kalkmörtel. Bruchstücke von bemaltem Wandputz bezeugen eine bunte Innendekoration. Eine kurze Treppe führte zum Porticus. Das Badegebäude liegt 40 m westlich des  Haupthauses. Die Funktion der neun weiteren Nebengebäude ist nur schwer zu bestimmen. Einige dürften als Tierställe gedient haben, andere als Schuppen, Scheunen, Speicher und Werkstätten. Vielleicht existierte auch ein kleiner Tempel. Der Friedhof  konnte bisher nicht lokalisiert werden.


Die Bewirtschaftung des Landes durch verstreut liegende Einzelgehöfte ist für die römische Zeit charakteristisch.
Die Villae rusticae produzierten nicht nur für den Eigenbedarf, sondern erwirtschafteten einen Überschuß.
Der Kohlhundener Hof versorgte die Bevölkerung von Cambodunum und vielleicht auch Soldaten in den Militärlagern.

Die Besitzer gehörten oft zu den wohlhabenden Schichten. Oft verpachteten sie die Landgüter. Auf den Höfen wohnten nicht nur der Eigentümer bzw. Pächter mit seiner Familie, sondern auch Landarbeiter und Tagelöhner. Wahrscheinlich gehörten zur Kohlhundener Hausgemeinschaft (familia) einige Sklaven.


Die Villae rusticae betrieben Ackerbau, Viehzucht und Handwerk. In der Viehzucht dominierte das Rind, daneben wurden Pferde, Schweine, Schafe, Ziegen, Bienen, Hühner, Enten, Gänse und Tauben gehalten. Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe, Rebhühner u. a. waren eine schmackhafte Jagdbeute. Ebenso lebten Hunde und Katzen auf den Höfen.


Die Römer bauten vorwiegend Dinkel, Weizen und Gerste an, seltener Einkorn, Emmer, Hafer, Hirse und Roggen. Wichtige Nutzpflanzen waren außerdem Linsen, Erbsen, Bohnen; Flachs, Leindotter, Mohn und Hanf. Auf Obstbäumen wuchsen Äpfel, Birnen, Pflaumen, Zwetschgen, Schlehen und Kirschen. Auch Salate, Zwiebeln, Mangold, Kohl, Gurken, Rettich, Kresse und Möhren wurden angebaut. Die Römer verwendeten zahlreiche Gewürze wie Dill, Kümmel, Petersilie, Thymian und Majoran. Gesammelt wurden Nüsse, Beeren, Pilze und Esskastanien.


Der Kuhstallweiher am Kohlhundener Römergeläde diente vermutlich nicht allein als Viehtränke, sondern auch zur Fischzucht.

Bau- und Brennholz lieferte der Wald.


Bei modernen archäologischen Ausgrabungen werden gezielt Bodenproben entnommen. Sie enthalten Pflanzenreste, die von Archäobotanikern analysiert werden. Aus diesen Untersuchungen wird auch hervorgehen, welche Nutzpflanzen in Kohlhunden angebaut wurden.

Im Steinbrunnen erhielten sich durch die hohe Feuchtigkeit einige Holzobjekte, darunter der Wacholdergriff eines Flechtkorbs. Wenige Meter südlich des kleinen Gebäudes wurde eine Grube entdeckt. In ihr fanden sich über 20 Tongefäße, einige davon mit Ritzinschriften, zwei Glasgefäße, ein Tintenfäßchen, ein Bronzespatel und ein Federmesser. Diesen spektakulären Fund interpretiert die Forschung als ein Opferdepot, das nach einem privaten Kultmahl mehrerer Personen angelegt wurde.


Nach dem aktuellen Forschungsstand entstand die Kohlhundener Villa rustica in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. und wurde in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. aufgegeben. Spuren einer gewaltsamen Zerstörung konnten nicht festgestellt werden.